Migrationsmuseum Bremerhaven präsentiert das Erinnerungsstück eines Melsungers an Malaysia
Das bundesweit bekannte Migrationsmuseum Deutsches Auswandererhaus in Bremerhaven präsentiert im September 2023 als „Objekt des Monats“ ein Blasrohr mit Pfeilen und Köcher, das ein Melsunger pensionierter B.Braun-Mitarbeiter aus seiner Dienstzeit aus Malaysia mitbrachte.
„Die Geschichte der Familie Rüger und das traditionelle Blasrohr, das sie mitgebracht haben, verbinden nicht nur eine hessische Familie mit ihren ganz persönlichen Erinnerungen an das Leben auf der anderen Seite der Welt, sondern ist auch ein Stück deutsch-malaiische Migrationsgeschichte, die eben nicht mit der Rückkehr in die Heimatstadt endet und Deutschland und Malaysia, Hessen und das tropische Hochland auf besondere Art und Weise verbindet“ erklärt wissenschaftliche Mitarbeiterin und Museumspädagogin Astrid Bormann die Entscheidung. Die Geschichte des Blasrohrs beginnt, wo es auch viele Jahre aufbewahrt wurde: Im nordhessischen Melsungen.
Eine Familiengeschichte aus Nordhessen
Klaus Rüger wird 1948 in Gardelegen in Sachsen-Anhalt geboren. Sein Vater, von Beruf Versicherungsvertreter kommt ursprünglich aus dem hessischen Raum Bad Hersfeld und zieht für die Arbeit um. Im Jahr 1949 entschließen sich die Rügers zur Flucht in den Westen. Kontakte des Vaters unterstützen die vierköpfige Familie, bis diese schließlich bei Familie des Vaters im Raum von Bad Hersfeld unterkommen. Klaus Rüger wird ein diplomierter Maschinenbauer und lernt während seiner Ausbildung seine Frau Helga kennen. Gemeinsam ziehen die beiden nach Frankfurt am Main, wo er im Ingenieursbüro der Firma Lurgi GmbH arbeitet. Der Wunsch, dass die gemeinsamen Kinder nicht in der Großstadt, sondern in einer ländlichen Gegend aufwachsen, bringt die Familie ins nordhessische Melsungen. Klaus Rüger arbeitet hier für B. Braun einem Pharma- und Medizinbedarfsunternehmen. Durch seine Qualifikationen besonders im Bereich des Anlagenbaus tritt die Firma mit dem Auftrag in Malaysia eine Fabrikanlage aufzubauen an Klaus Rüger heran. Nach etwas mehr als einem Jahr Vorbereitung, verlässt er Melsungen im Frühjahr 1982 gemeinsam mit seiner Frau Helga Rüger und den beiden Kindern Niklas (damals 5 Jahre) und Schirin (damals 3,5 Jahre) und zieht nach Südostasien auf die Insel Penang/Malaysia.
„Der erste Eindruck, als wir aus dem Flugzeug kamen und den Boden in der Malaiischen Hauptstadt Kuala Lumpur betraten ,war, als schlüge uns jemand ein nasses Handtuch ins Gesicht.“ Das tropische Klima macht für Familie Rüger einen großen Unterschied. So passt Helga Rüger beispielsweise ihre Haarfrisur dem Wetter Malaysias an und trägt nun Locken, um der Luftfeuchtigkeit entgegenzuwirken. Klaus Rügers Arbeitsalltag gestaltet sich durch die sorgfältige Qualitätsleistung seiner Mitarbeiter angenehm. Schwierigkeiten bereiten ihm anfangs die vielen unterschiedlichen Sprachen, doch diese Hürden lassen sich durch ein tiefgründigeres Verständnis und der Unterstützung der Kollegen überwinden. Seinen beruflichen Auftrag erfüllt Klaus Rüger bereits nach 6 Monaten und die Familie entschließt sich zu einer langen Rückreise über den Osten des Landes, Singapur, Australien, Tahiti, USA und schließlich zurück nach Deutschland.
Zweimal bekommt Familie Rüger Besuch von ehemaligen Mitarbeitern Besuch und reist selbst noch einmal im Jahr 2006 nach Malaysia zurück. Bis heute erinnern sich die Rügers „gerne“ an die Zeit in Malaysia zurück.
Historische Einordnung – Wie sind Malaysia und Deutschland in den 1980er miteinander verbunden?
Deutschland trifft mit Malaysia im Jahr 1960 das „Abkommen zur Förderung und Schutzes von Kapitalanlagen“ und trifft bis 1991, der Gründung der Deutsch-Malaiischen Industrie- und Handelskammer, wichtige, verschiedene Beschlüsse. So sind die Rahmenbedingungen für viele Unternehmen in Malaysia besonders günstig und viele hoch qualifizierte Fachkräfte werden nach Südostasien gesendet, um hier Standorte mitaufzubauen.
Im nordhessischen Standort Melsungen belebt der Großkonzern B. Braun Pharma- und Medizinbedarfsunternehmen die städtische, bundesweite und auch globale Wirtschaft. Der Standort im malaiischen Penang wird Hauptquartier der Firma im Asien-Pazifik-Raums.
Bedeutung des Objekts in der Sammlung des Migrationsmuseums
Familie Rüger erlebt das tropische Land von vielen verschiedenen Seiten. Als Anlass für ihre Reise erklären sie, dass sie sich gern selbst ein Bild des Landes und der Menschen machen möchten. Für Familie Rüger symbolisiert das Objekt die Faszination und bleibenden Eindruck der malaiischen Kultur und damit ihre Verbindung zu dem Land. Geprägt ist Malaysia besonders durch die kulturelle Diversität. In Malaysia leben neben den Malaien, die die größte Bevölkerungsgruppe bilden, auch Menschen mit chinesischen und indischen Wurzeln. Die Rügers erleben während ihres Aufenthaltes viele verschiedene Bräuche, Rituale und Lebensgewohnheiten. Besonders kontrastreich sind auch die Lebensweisen der Menschen Malaysias, so gibt es bis heute noch viele traditionelle Aspekte, die mit dem alltäglichen Leben verbunden sind. Das traditionell handgefertigte Blasrohr aus Bambus ist fast 1,80 Meter lang. Die Rügers kaufen es 1982 einem Mann ab, den sie während ihrer Rundreise in den Cameron Highlands kennenlernen.
Das Deutsche Auswandererhaus
Das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven zeigt seit seiner Eröffnung 2005 die Auswanderungsgeschichte aus Deutschland nach Übersee, seit seinen Erweiterungen 2012 und zuletzt 2021 zudem die Geschichte der Einwanderung nach Deutschland, insbesondere in die Bundesrepublik. Interaktiv, durch historische Rekonstruktionen und mit Fokus auf individuelle Lebensgeschichten und persönliche Erinnerungsstücke macht das Museum Migration erfahrbar und nimmt dabei die individuellen Erfahrungen der „ganz normalen Menschen“ als wesentlicher Teil der größeren historischen Ereignisse ernst. Bis heute sammelt das Museum Familiengeschichte aus der Bundesrepublik und der ganzen Welt.
Mehr zum Museum, dem Objekt des Monats und der Sammlung finden Interessierte unter dah-bremerhaven.de
Menschen mit eigenen oder familiären Aus- oder Einwanderungsgeschichten oder auch damit verbundenen Objekten, die sie gerne in der Museumssammlung wissen möchten,
sind herzlich eingeladen das Deutsche Auswandererhauses zu kontaktieren. Ansprechpartnerin: Dr. Tanja Fittkau, Tel. 0471 / 90 22 0 – 0 oder per E-Mail unter: t.fittkau@dah-bremerhaven.de